13.06.2019

Kombiniertes Fachwissen für die Beschichtungen, Farbstoffe und Klebstoffe von morgen

Jörg Bruss, Dr. Maria Martinez Velencoso und Heiko Mack

Round-table-Interview der Kuraray-Experten: "Wir schaffen die industriellen Werkstoffe von morgen"

Von Industrielacken, Farb- und Klebstoffen wird ständig erwartet, dass sie mehr leisten und dennoch einfach und preiswert in der Anwendung sind. Die Experten von Kuraray, einem der weltweit führenden Hersteller von Spezialchemikalien, entwickeln deshalb Hochleistungspolymere, um industrielle Prozesse effizienter zu gestalten. Innovative Materialien auf der Basis von Polyvinylbutyral (PVB), Polyvinylalkohol (PVA) und Elastomeren sind besser für die Umwelt und können in anspruchsvollen Anwendungen vom 3D-Druck bis zum Automobilbau eingesetzt werden.

Fachwissen über Beschichtungen von morgen

In diesem Interview sprechen Dr. Maria Martinez Velencoso, Anwendungsentwicklungsingenieurin für Elastomere, Jörg Bruss, Director Global Business für technisches PVB, und Heiko Mack, Leiter des Poval-Geschäfts, über die Anforderungen an die Beschichtungen, Farbmittel und Klebstoffe von morgen.

Kuraray vermarktet eine breite Palette von Materialien für die Beschichtungs-, Farbstoff- und Klebstoffindustrie. Was sind die neuesten Trends in diesem Markt?

Jörg Bruss

Jörg Bruss: Die Industrie will langlebige, leistungsstarke Produkte, die effizient verarbeitet werden können. Gleichzeitig müssen ihre Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt minimal sein. Was die Effizienz betrifft, so sehen wir uns als einen der führenden Hersteller von Spezialchemikalien, bei denen Eigenschaften wie die Viskosität sehr wichtig sind.

Wo kann die Viskosität die Effizienz verbessern?

Jörg Bruss: Zum Beispiel beim Curtain Coating. Dabei handelt es sich um ein industrielles Verfahren, bei dem Teile wie etwa Automobilkomponenten beschichtetwerden, indem sie durch einen flüssigen "Vorhang" des Beschichtungsmaterials geführt werden. Unser neues PVB-Produkt MOWITAL® BA 55 HH kann in diesem Prozess als Bindemittel verwendet werden. Seine spezifischen rheologischen Eigenschaften verleihen Lacken und Beschichtungen in diesem Prozess sehr gleichmäßige Fließeigenschaften.

Dadurch lässt sich die Applikation genauer steuern ...
 

Jörg Bruss: Ganz genau. Die Beschichtung lässt sich sparsamer auftragen und der Prozess kann beschleunigt werden, was die Kapazität erhöht. Das gilt selbst für komplexe Prozesse mit mehreren aufeinander folgenden Vorhangbeschichtungsschritten. Und unser Produkt kann noch mehr: Es hat eine sehr gute Wärmeformbeständigkeit und seine Glasübergangstemperatur (Tg) ist 40 Prozent höher als vergleichbare kommerziell erhältliche PVB-Typen. BA 55 HH ist daher ideal für Anwendungen, bei denen Materialien innerhalb kurzer Zeit auf bis zu 200 °C erhitzt werden, zum Beispiel Heißsiegellacke und Schmelzklebstoffe für Lebensmittelverpackungen.

Heiko Mack: Curtain Coating wird auch zur Beschichtung von Verpackungspapier eingesetzt. Für diese Anwendung bieten wir unseren neuen hochmolekularen KURARAY POVAL™ Polyvinylalkohol KP 200-88 KX an. Dieser PVA-Typ verbessert die Rheologie in diesem Prozess und reduziert gleichzeitig den Materialbedarf.

Dr. Maria Martinez Velencoso: Die Automobilindustrie ist ein weiteres Beispiel. Hier ersetzen Elastomerklebstoffe zunehmend das Punktschweißen. Die Viskosität ist hier eine wichtige Voraussetzung. In den heutigen modernen Montagelinien werden die Klebstoffe von Robotern aufgetragen. Damit sie durch die Roboterarme gepumpt werden können, benötigen sie besondere rheologische Eigenschaften, also besondere Fließeigenschaften, und eine sehr niedrige Viskosität. Die Verwendung von Vollgummi hat Grenzen ....

... also wird Kuraray Liquid Rubber verwendet?

Dr. Maria Martinez Velencoso

Dr. Maria Martinez Velencoso: Ja. Unser Sortiment umfasst Flüssigkautschuktypen mit unterschiedlichen Molekulargewichten - von niedrig bis sehr hoch - für verschiedene Anwendungen. Sie verleihen den in der Automobilindustrie verwendeten Klebstoffen die für die Verarbeitung erforderlichen sehr guten Fließeigenschaften und verbessern auch deren mechanische Eigenschaften.

Können Sie erklären, wie?
 

Dr. Maria Martinez Velencoso: Einer der Hauptgründe für die Verwendung von Klebstoffen auf Elastomer-Basis ist ihre hohe Elastizität. Es wird erwartet, dass Autos, insbesondere Elektroautos, immer leichter werden. Und weil Elektromotoren leise sind, wird es immer wichtiger, störende Geräusche und Vibrationen innerhalb und außerhalb des Autos zu vermeiden. Um Gewicht zu sparen, setzen die Hersteller völlig neue Materialkombinationen für die Karosserie ein. Das bedeutet zum Beispiel, dass Aluminium und Stahl direkt nebeneinander verwendet werden können.

Jörg Bruss: Allerdings haben sie bei Temperaturschwankungen sehr unterschiedliche Wärmeausdehnungseigenschaften.

Dr. Maria Martinez Velencoso: Genau. Aluminium und Stahl dehnen sich bei Temperaturschwankungen sehr unterschiedlich aus und schrumpfen auch sehr unterschiedlich. Ihr gemeinsamer Einsatz in der Karosserie ist daher eine große Herausforderung für das Kleben. Kleb- und Dichtstoffe müssen elastisch genug sein, um Unterschiede, Geräusche und Vibrationen auszugleichen und der Karosserie eine zuverlässige Strukturstabilität zu verleihen.

Und all das leistet Liquid Rubber?
 

Dr. Maria Martinez Velencoso: In der Tat! Und im Gegensatz zu herkömmlichen Elastomeren bleibt Liquid Rubber auch bei sehr niedrigen Temperaturen flexibel. Klebstoffmischungen mit Flüssigkautschuk behalten ihre Stoßfestigkeit auch bei niedrigen Temperaturen. Das sorgt für sichere Strukturen. Auch Reifenhersteller nutzen diese Eigenschaft: Liquid Rubber verbessert die Haftung von Winterreifen. Darüber hinaus entwickeln wir derzeit neue Produkte mit einem niedrigen Molekulargewicht. Sie verfügen über eine Vielzahl von funktionellen Gruppen, mit denen sie sich optimal mit anderen Materialien - wie Fasern oder Metallen der Karosserie - kombinieren lassen.

Heiko Mack: Ein erhöhtes Gesundheits- und Umweltbewusstsein sind weitere wichtige Themen im Bereich der Lacke, Farben und Klebstoffe. Die Verbraucher achten mehr und mehr auf das Umweltprofil der Produkte, die sie kaufen. Daran arbeiten wir bei Kuraray schon seit langem. Wir vermarkten Materialien, die unsere Industriekunden nutzen können, um nachhaltige und gesunde Lösungen mit einem besseren Umweltprofil zu entwickeln. Beispiele dafür sind Materialien mit einem niedrigen VOC-Gehalt, wie die neuen KURARAY POVAL™ Polyvinylalkohol (PVA) LV-Typen.

Warum ist ein niedriger VOC-Gehalt wichtig?
 

Dr. Maria Martinez Velencoso: Flüchtige organische Verbindungen (VOCs) können negative Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben. In unseren Entwicklungslabors arbeiten wir deshalb daran, den VOC-Gehalt von Materialien zu reduzieren, zum Beispiel den Rest-Monomergehalt oder den Anteil von Methanol im PVA.

Was ist das Besondere an den neuen KURARAY POVAL™ LV-Typen?

Heiko Mack

Heiko Mack: Der Methanol-Gehalt der LV-Typen liegt bei nur 0,3 Prozent - zehnmal niedriger als bei herkömmlichem PVA. Erreicht wird dies durch einen komplexen Reinigungsprozess, der speziell von Kuraray entwickelt wurde.

Wofür werden also die LV-Qualitäten von KURARAY POVAL™ verwendet?
 

Heiko Mack: Gegenwärtig werden sie beispielsweise in Kosmetika verwendet. Wir haben auch ein gewisses Interesse von Klebstoffherstellern registriert, insbesondere für Verbraucherklebstoffe.

Jörg Bruss: Umweltfreundliche und gesunde Produktlösungen sind ein Thema, über das die Lebensmittelverpackungsindustrie seit langem spricht. Bislang werden in diesem Sektor hauptsächlich PVC-basierte Farbsysteme eingesetzt, die jedoch aufgrund ihres Rest-Monomergehaltes Allergien auslösen können. Große Lebensmittel- und Getränkehersteller haben daher angekündigt, PVC in Zukunft nicht mehr einsetzen zu wollen.

Welche Alternativen gibt es zu PVC für den Verpackungsdruck?

Herr Jörg Bruss, Direktor, Global Business – PVB Technical Resin

Jörg Bruss: PVB-Produkte wie Mowital® von Kuraray haben hier einen Vorteil. Sie enthalten keine gesundheitsgefährdenden Verunreinigungen und sind daher für die Verbraucher sehr sicher. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Obwohl in PVB-Druckfarben ein Lösungsmittel verwendet wird, ist es normalerweise Ethanol, das biologisch abbaubar ist. Ethanol ermöglicht ein umweltfreundliches Recycling und es kann auch nachhaltig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

Heiko Mack: Apropos Recycling: Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, dass alle in der EU verwendeten Kunststoffverpackungen bis 2030 wiederverwendbar oder recycelbar sein sollen. Daher sehen wir eine steigende Nachfrage nach Verpackungspapier, insbesondere von Lebensmittelherstellern. Eine Herausforderung für die Verpackungshersteller ist es, Papier eine wirksame Barriere gegen Öl, Fett und Sauerstoff zu verleihen...

... damit die verpackten Lebensmittel länger frisch und essbar bleiben und die Verpackung stabil ist?
 

Heiko Mack: Ganz genau. Unser PVA-Barriere-Beschichtungsprodukt EXCEVAL™ macht Verpackungen undurchlässig für Fette und Öle und wirkt als wirksame Gasbarriere. EXCEVAL™ ist eine wässrige Lösung, die zur Beschichtung von Verpackungsmaterialien verwendet wird. Sie ist außerdem frei von Chlor und Lösungsmitteln.

Macht es Verpackungen umweltfreundlich?

Heiko Mack

 

 

Heiko Mack: Ja. Im Gegensatz zu Beschichtungen, die zum Beispiel auf Acryllatex basieren, ist EXCEVAL™ in Wasser vollständig biologisch abbaubar. Zusammen mit Papier und anderen biologisch abbaubaren Materialien lassen sich damit leicht recycelbare, umweltfreundliche Alternativen zu herkömmlichen Lebensmittelverpackungen herstellen.

Können Sie ein aktuelles Beispiel nennen?
 

 

 

Heiko Mack: Ein großer Einzelhändler in Deutschland hat kürzlich biologisch abbaubare Kaffeekapseln eingeführt. Als Beschichtungsmaterial wird EXCEVAL™ verwendet. Das ist eine völlig neue Anwendung, bei der wir eng mit unseren Kollegen von Eval, der Kuraray Geschäftseinheit Ethylen-Vinyl-Alkohol (EVOH), zusammenarbeiten. Eval™ EVOH wird seit langer Zeit in herkömmlichen Kaffeekapseln verwendet. Dank unseres Fachwissens in vielen Bereichen haben wir eine leistungsstarke Lösung für unsere Kunden entwickelt.

Jörg Bruss: Der 3D-Druck ist ein weiteres Beispiel. Im PVB-Geschäft arbeiten wir derzeit an neuen Formulierungen von Druckfilamenten, die auf 3D-Druckern zur Herstellung von Bauteilen in Spritzgussqualität eingesetzt werden könnten. PVB-Materialien wie Mowital® haben einen Vorteil gegenüber den auf Polylactid (PLA) und Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) Copolymer basierenden Materialien, die diesen Markt derzeit dominieren. Sie verfügen über eine hohe mechanische Stabilität, so dass sie zur Herstellung qualitativ hochwertigerer Oberflächen verwendet werden können. Dabei hilft uns die Erfahrung unserer Kollegen von Poval.

Heiko Mack: Poval hat seit einiger Zeit ein 3D-Druckmaterial im Programm: das wasserlösliche Trägerfilament MOWIFLEX™ 3D 2000. Übrigens ist dieses Produkt jetzt über die Amazon Business platform erhältlich. Gemeinsame Tests mit Mowital® zeigen, dass mit unseren PVA- und PVB-basierten Materialien sehr gute Druckergebnisse erzielt werden.

Dr. Maria Martinez Velencoso

Dr. Maria Martinez Velencoso: Es gibt eine zunehmende Anzahl von Anwendungen für Elastomere im 3D-Druck. Wir bieten zusätzliche Funktionstypen an, die den Werkstücken langfristige Elastizität verleihen.

Heiko Mack: Ich bin sicher, dass es noch andere Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten könnten. Unsere Expertise in verschiedenen Materialien ermöglicht es uns, innovative Materialien für Farbstoffe, Beschichtungen und Klebstoffe zu schaffen - bis hin zur Herstellung von Additiven.


Vielen Dank für das Gespräch.

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